Musik und Begehren

Haruki Murakami: Südlich der Grenze, westlich der Sonne (1992), Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe, Dumont Buchverlag 2013

Ich stoße regelmäßig auf Lobeshymnen und lese immer wieder Buchempfehlungen über die Bücher von Haruki Murakami. So ich denke, ich kann nicht mehr an diesem Autor einfach vorbeigehen, ich muss ihn lesen. Das Buch „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ scheint ein guter Anfang zu sein.

Hajime, der sympathische Ich-Erzähler berichtet über seine Kindheitsfreundin, Shimamoto, um die späteren konfusen Ereignisse in seinem erwachsenen Leben zu erklären. Obwohl der Erzählton immer sehr ruhig und bedacht ist, hängt die Spannung irgendwie in der Luft. Die Leser haben das Gefühl, dass die Stimmung sich bald dem Stürmischen und Leidenschaftlichen zuwendet. Aber der Sturm lässt auf sich warten.

Es ist ein stimmungsvolles Buch, meiner Meinung nach. Mich beeindrucken die Szenen, deren Atmosphäre durch die Musik bestimmt wird. Zum Beispiel werden Hajime und Shimamoto als 12 Jährige zu Freunden, indem sie bei Shimamoto zu Hause Schallplatten (Nat King Cole „Pretend“ oder „South of the Border“) hören. Später erinnert sich Hajime an diese Szenen immer wenn er die geliebten Musikstücke hört. Er erinnert sich in seinem ganzen Leben an diese Atmosphäre beim Musikhören, an die Gesichtsausdrücke, die Worte und die Geste seiner Freundin. Auch wenn er seine ersten sexuellen Erfahrungen nur ein Paar Jahre später sammelt, richtet sich sein Begehren auf die atmosphärischen Szenen mit Shimamoto. Trotzdem lebt er dann sein Leben mit anderen Menschen.

Nicht nur die Liebe und die Verliebtheit doch auch die Gesellschaft erlebt der Erzähler für den Verstand ganz widersprüchlich. Hajime ist ein Kind der radikalen Studentenbewegungen der sechziger und siebziger Jahre:

„Wir hatten lautstark gegen die raffinierte Logik des Kapitals gewandt, die den zerbrechlichen Idealismus der Nachkriegszeit verdrängt hatte. (…) Doch die Welt, in der ich nun lebte, basierte auf einer weit höher entwickelten Form des Kapitalismus. Und ohne es zu merken, war ich ganz und gar Teil dieser Welt geworden.“ S. 77

Die atmosphärische Verbundenheit mit der Kindheitsfreundin könnte nur Erinnerung und Fantasie bleiben, und Hajime hätte noch immer ein fast erfülltes Leben. Solange Shimamoto ihn nicht besucht. Die Frage ist, was passiert, wenn alles rückgängig gemacht werden kann. Ist das überhaupt möglich? Davon handelt das Buch „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“.

Mir gefiel gut, dass Murakami das Begehren nicht einfach über das rationale Leben stellt, sondern zum Nachdenken anbietet, ob alles über Liebe, Verliebtheit, Fantasie und Träume vielleicht in der Kindheit und mit einer Atmosphäre anfange.

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. Art of Arkis sagt:

    Hörte es einmal, Hörbuch, war fasziniert. 🙂

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